Lob für den „Landrat in spe“

Der Chef und sein Mitarbeiter: Ministerpräsident Matthias Platzeck (links.) und Wahlkämpfer Dr. Ralf Niermann (Referatsleiter in der Potsdamer Staatskanzlei)

Doch dass ausgerechnet Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck für rund eineinhalb Stunden (über Bremen) den Weg ins Wiehengebirge gefunden hatte, war weniger dem „Programmkonvent“ der Partei geschuldet als der Unterstützung für einen seiner „besten Mitarbeiter“.
„Ich komme mit einer Träne im Knopfloch“, bekannte denn auch der kurzzeitige SPD-Bundesvorsitzende. Sein langjähriger Referatsleiter, der neue „Landrat in spe“, sei ein „sehr verlässlicher und ausgesprochen guter Mensch“. Von ihm habe er sich viel Rat holen können. Klar, dass er ihn ungern verliere. Anderseits sei der Parteifreund gewiss ein guter Landrat für den Minden-Lübbecker Mühlenkreis.

Eingerahmt von solchen persönlichen und politischen Empfehlungen ging es dann aber auch inhaltlich zur Sache. Um die große Parteipolitik und die drängenden gesellschaftlichen Fragen. Denn am Rednerpult stand, so Michael Buhre, Mindens Bürgermeister und Vorsitzender des SPD-Unterbezirks, einer, der den „Bremer Entwurf“ des neuen Parteiprogramms, das in diesem Herbst beschlossen werden soll, „ganz maßgeblich initiiert und beseelt“ habe.

Platzeck Thema an diesem Nachmittag: der Sozialstaat alter („Reparaturbetrieb“) und neuer, nämlich „vorsorgender“ Art. Kein Zweifel ließ Potsdams Regierungschef an Sinn und Notwendigkeit des Sozialstaats. Für den werde er sich stets mit seinem ganzen Herzen einsetzen. Der Sozialstaat deutscher Prägung sei einer der größten Errungenschaften und das „kostbarste und beste Erbe des 20. Jahrhunderts“. Gerade deshalb dürfe man ihn nicht aus der Defensive heraus verteidigen. Wie im Fußball könne nur die „Offensive ein gutes Ergebnis erzielen“. Gelte es doch, den Sozialstaat umzubauen, zu reformieren und fit zu machen für die Herausforderungen des Zeitalters der Globalisierung mit seinen „monströsen Herausforderungen“. Platzeck: „Die alte soziale Frage ist gekoppelt mit neuen Fehlentwicklungen“ – von der Arbeitslosigkeit über die Folgen der Fehlernährung bis hin zum „rückläufigen Aufstiegswillen“ in den unteren Schichten der Gesellschaft. Mit den finanziellen Mitteln des gegenwärtigen Sozialstaates könne man mehr machen, müsse sie effizienter einsetzen. Und zwar mehr zur Vorsorge , für ein selbstverantwortetes Leben, weniger für Reparaturen. So sei es sinnvoller, mehr auszugeben für Lehrer als für die Betreuung von Schülern, die keinen Abschluss erreicht haben. Mit der erkennbaren Leitungsfähigkeit des Sozialstaats lasse sich auch seine Legitimität sichern. Denn nur für ein erfolgreiches Modell seien die Menschen bereit, sich zu engagieren.

Klar positionierte sich Platzeck ebenso in der Diskussion um Mindestlöhne. Der Verzicht darauf höhle jede Gesellschaft aus. Gelinge den Tarifpartnern bis Ende der Legislaturperiode keine Einigung in dieser Frage, werde die SPD damit in den Bundestagswahlkampf 2009 ziehen. Denn es sei nicht hinzunehmen, dass der Vorstand eines Unternehmens 300mal mehr verdiene als ein Facharbeiter des Betriebes. „Dann verfallen Sitte und Anstand völlig“.