
Der 39-jährige Wirtschaftsförderer des Kreises Minden-Lübbecke und gemeinsame Kandidat von CDU, FDP und Freier Wählergemeinschaft des Mühlenkreises gratulierte Ralf Niermann bei der Wahlparty im Kreishaus an der Portastraße schon deutlich vor Abschluss der Stimmauszählung. Denn der Sozialdemokrat setzte sich während der Auszählung verhältnismäßig frühzeitig vor den Christdemokraten, der wenig später von Ex-Landrat Wilhelm Krömer (CDU) bei einer Umarmung tröstende Wort erhielt.
Hartmut Heinen, nicht nur von politischen Gegnern als Ziehsohn von Krömer bezeichnet, war Niermann schon beim ersten Wahlgang am 13. Mai unterlegen. Da angesichts von sechs Landratskandidaten aber keiner der Bewerber um den Chefsessel im Kreishaus die absolute Mehrheit erhielt, wurden die rund 260.000 Wählerinnen und Wähler am Sonntag noch einmal zu den Wahlurnen gerufen. Schon vor gut zwei Wochen lag die Wahlbeteiligung bei nur 32,8 Prozent, am Sonntag waren es 27,2 Prozent. Die katastrophale Beteiligung wird auch darauf zurück geführt, dass diese Landratswahl, die wegen der Erreichung der Altersgrenze von Wilhelm Krömer (68) und seinem damit verbundenen Ausscheiden notwendig wurde, von der Kommunalwahl 2009 abgehängt werden musste.
Bei der Stichwahl konnte Ralf Niermann, Sohn des vor einigen Jahren verstorbenen ehemaligen Mindener Stadtdirektors Dr. Erwin Niermann und zurzeit noch als Regierungsdirektor beim Land Brandenburg und als Berater des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck in allen kommunalen Fragen tätig, in sieben der elf Kommunen die absolute Mehrheit erzielen. Sein bestes Ergebnis bekam der Jurist in Minden, wo der Familienvater 62,6 Prozent der Stimmen erreichte. Hartmut Heinen musste sich mit vier Städten und Gemeinden zufrieden geben und erhielt in der CDU-Hochburg Stemwede mit knapp 69 Prozent sein bestes Stimmergebnis.
Im Vergleich zum Wahltag 13. Mai verlor der Christdemokrat allerdings in allen Städten und Gemeinden an Stimmen. Am deutlichsten in Petershagen, wo Heinen auf ein Minus von mehr als 20 Prozentpunkte blickt. Ganz anders Ralf Niermann, der in allen Mühlenkreis-Kommunen bis auf eine Ausnahme zweistellig zulegte. Allein in der Stadt Petershagen fast 27,7 Prozentpunkte. Aber auch in den klassisch "tief schwarzen” Gebieten wie Stemwede (plus 9,4) und Espelkamp (plus 17,7 Prozentpunkte). Besonders für die Kreis-CDU ein kaum mit der schlechten Wahlbeteiligung zu begründendes Ergebnis für ihren Kandidaten Hartmut Heinen. Der hatte im Vorfeld der Wahl offen gelassen, ob er bei einem Wahlsieg von Niermann weiterhin als Referatsleiter beim Kreis Minden-Lübbecke tätig bleiben will.
Offen bleibt zunächst auch, was aus der Kreisdirektorin Cornelia Schöder wird, die seit dem Ausscheiden von Krömer Chefin im Kreishaus ist. Die Wahlbeamtin und Sozialdemokratin steht im Juni zur Wiederwahl an. Angesichts der parteiübergreifenden "Pokerspiele” um zentrale Posten an der Portastraße könnte Schöder zum Opfer werden. Gespannt sein darf man auch vor diesem Hintergrund auf Landrat Niermanns zukünftige Personalpolitik und -konstellation. Er selbst hielt sich in dieser Frage am Wochenende noch zurück.
Erst einmal wird sich Ralf Niermann von seinen Kollegen in Brandenburg verabschieden, den Kreiswahlausschuss am Mittwoch abwarten und dann in etwa zwei Wochen den Chefsessel im Kreishaus besetzen.
Stimmen zur Wahl:
Dr.Ralf Niermann (Neuer Landrat im Mühlenkreis)
"Ich bin als Landrat für alle da, lasse mich nicht in eine parteipolitische Ecke drängen und setzte auf Sachpolitik”, sagte der Dr. Ralf Niermann. Als Grund für seinen Sieg nennt er dass die SPD besser aufgestelltgewesen sei.
"Die Partei hatte eine hohe Identifikation mit dem Kandidaten, die Bürger haben bei uns Vertrauen und Kompetenz gesehen. Der "Rückenwind” aus dem Nominierungsverfahren habe ihn bis heute getragen. "Für mich ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen,” sagte der künftige Landrat sichtlich erschöpft und zufrieden.
Michael Buhre (SPD-Unterbezirksvorsitzender): Ralf Niermann hat einen tollen Wahlkampf gemacht, ist gut bei den Menschen im Mühlenkreis angekommen. Seine persönliche Ausstrahlung, das Zugehen auf die Menschen und die inhaltliche Kompetenz haben den Ausschlag gegeben. Das Nominierungsverfahren,dass wir bei unserer Kandidatensuche gewählt haben, hat sich ausgezahlt.
Wilhelm Krömer (Alt-Landrat): Es ist erschreckend, dass viele Menschen offenbar nicht wahrnehmen wie wichtig das Amt des Landrats ist. Allerdings hat die Solo-Wahl auch zu einer geringen Beteiligung beigetragen. Vom neuen Landrat hoffe ich, dass er die erfolgreiche Arbeit fortsetzen wird, dazu gibt es keine Alternative.