
Die Gemeinde Stemwede will eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Bürgerbus abhalten. Ziel ist es, das Interesse der Stemweder an diesem Angebot zu erkunden und zu ermitteln, wie viele Freiwillige sich ehrenamtlich als Fahrer eines solchen Kleinbusses engagieren würden.
Der Ausschuss für Gemeindeentwicklung, Wirtschaftsförderung und Tourismus beschäftigte sich während seiner Sitzung bei »Rila erleben« in Levern mit dem Thema Bürgerbus.
Anlass war eine Anregung von Günter Bohne beim Ortsteilgespräch von Bürgermeister Kai Abruszat in Drohne gewesen. »Immer mehr Menschen in der sehr ländlichen und weitläufigen Gemeinde Stemwede können aufgrund ihres Alters nicht mehr Auto fahren. Ein Bürgerbus würde ihnen helfen, die wichtigen Infrastruktureinrichtungen wie Einkaufsmärkte, Ärzte oder Banken zu erreichen«, hatte Bohne gesagt.
Der Ausschuss ließ sich von Arnold Straubhaar und Karl-Heinz Haseloh, führende Vertreter des Bürgerbusvereins in Hille, über den dortigen Bürgerbus-Einsatz informieren.
Der Verein stellt ehrenamtlich unter dem Dach von »Pro Bürgerbus NRW« in Absprache mit der Kommune sowie den Mindener Kreisbahnen (MKB) und der Minden- Herforder Verkehrsgesellschaft (MHV) Busverbindungen in besonders abgelegene Bereiche Hilles her. Der Verein hat 46 Haltestellen eingerichtet. Er befördert die Passagiere auf einer Rundtour durch alle Dörfer zum Zentrum Hille und zurück. Ein Mitfahrticket auf der Rundtour kostet 2,30 Euro. »Wir sind gehalten, Preise wie die MKB zu nehmen«, sagte Straubhaar. Die Zeiten sind so getaktet, dass Anschluss an überörtliche Buslinien,
etwa nach Minden oder Espelkamp/ Rahden bestehen. »Unser acht Fahrgäste fassender
Mercedes Sprinter fährt diese Touren acht Mal pro Tag, aufgeteilt in zwei Fahrer-Schichten. 365 Kilometer kommen so täglich zusammen.«,erläuterte Straubhaar.
Der Hiller Bürgerbusverein hat 48 Mitglieder. 27 davon sind aktiv, darunter 24 ständige Fahrer, zumeist im Rentenalter. Sie sitzen jeweils einen halben Tag lang am Lenkrad und haben seit dem Beginn des Projektes im Jahr 2011 schon insgesamt 430 000 unfallfreie Kilometer zurückgelegt. Erstaunlich sind die Fahrgastzahlen. »Blieb 2011 zu Beginn noch manche Fahrt leer, hatten wir 2012 schon 3604 Fahrgäste. Diese Zahl steigerte sich 2014 bereits auf 4607 und erreichte 2015 – auch durch den Zuzug von Flüchtlingen – mit 5108 Beförderten einen neuen Rekord«, sagte Straubhaar.
Ein neuer Bus ist derzeit bestellt. Er kostet 100 000 Euro. 50 000 Euro werden vom Land NRW übernommen und 50 000 durch die MKB gedeckt. Die MKB kann diesen Betrag abschreiben. Gerät sie aber durch den Bürgerbus ins Minus, muss die Kommune für den Fehlbetrag aufkommen.
Die Fahrer erhalten lediglich Kilometergeld für die Fahrt vom Wohnort zum Standort des Busses – alles andere leisten sie ehrenamtlich. Dadurch ist das Bürgerbusmodell erst finanziell tragbar. In Stemwede sind allerdings andere Faktoren zu bedenken als in Hille. So gab Ausschussmitglied Brigitte Höger-Allhorn zu bedenken, dass man darüber sprechen müsse, welche Ziele ein möglicher Stemweder Bürgerbus nach dem Einsammeln der Fahrgäste überhaupt anfahren solle. Ein Rundkurs wie in Hille sei hier vermutlich nicht so sehr gefragt, dafür aber – vor allem im Bezirk Dielingen ein grenzübergreifender Verkehr zum Einkaufstandort Lemförde. »Ein Fahrplan kann völlig variabel sein«, sagte Karl-Heinz Haseloh. »Wir in Hille haben das Ziel, dass die Menschen auch im Alter noch einkaufen, den Arzt oder Freunde besuchen oder in Kneipen gehen können. Wir bieten Alltagsmobilität.«
Die Hiller haben festgestellt, dass auch Schüler gern den Bürgerbus benutzen. Außerdem
steigen zunehmend ältere Menschen ein, die täglich mittags zu Seniorenheimen fahren, weil ihnen dort ein Essen angeboten wird.« »Unsere Fahrer sind in gewisser Weise auch Sozialarbeiter«, betonten die Hiller Experten: »Beispielsweise hören wir von Witwen, wie dankbar sie sind, dass sie den Bus nutzen können. Ihr Mann habe 70 Jahre lang dafür gesorgt, dass sie mobil gewesen seien, erzählen sie uns.
Nach Tod des Gatten habe die Frau ohne Bürgerbus keine Möglichkeit mehr, irgendwo hin zu kommen, weil es niemanden gebe, der sie fahren könne.
Die Infos von Straubhaar und Haseloh beeindruckten den Stemweder Ausschuss sichtlich.
Für dessen Vorsitzenden Wilhelm Riesmeier (SPD) steht fest: »Wenn wir wollen, dass die Menschen auch im Alter noch in Stemwede bleiben können, müssen wir aktiv werden.«