
Lübbecke(WB). Es hat schon bessere Zeiten für die deutsche Sozialdemokratie gegeben. Umfragen sehen die Genossen bundesweit bei 20 Prozent. Am Samstag hat sich die Kreis-SPD auf ihrem Parteitag in Lübbecke für die Landtags- und Bundestagswahlen im nächsten Jahr positioniert.
Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden: Das waren die Schlagwörter, mit denen Willy Brandt einst 45,8 Prozent für die SPD holte. Mehr als 40 Jahre danach orientiert sich der aktuelle Leitantrag der Mühlenkreis-SPD mit dem Titel »Weichen stellen für die Zukunft« an eben diesen Werten. Der heimische Bundestagsabgeordnete Achim Post sprach vom »Markenkern« der SPD, auf den sich die Partei in schwierigen Zeiten besinnen müsse.
Vor den Delegierten in der Stadthalle betonte Post, dass es in den nächsten zehn bis 15 Monaten nicht nur um Wahlen gehe, sondern um die Rolle der SPD in den nächsten zehn bis 15 Jahren.
Ja, auch ihm passe nicht alles, was die Partei mache und ja, die SPD müsse besser werden. »Wir haben viel zu oft Kompromisse gemacht, bevor ein Konflikt überhaupt erkennbar war«, sagte der Abgeordnete. Nun aber gelte es, nach vorne zu blicken: »Das Allerwichtigste ist Haltung. Wenn wir zweifelnd und verdruckst auftreten, dann brauchen wir gar nicht erst in die Schlacht zu ziehen.«
Nach Einschätzung von Achim Post ist die Lage der SPD im Mühlenkreis nicht mit der auf Bundesebene vergleichbar. Für ihn sei die SPD in den Kommunen des Kreises noch eine Volkspartei. Eine Bestätigung dafür hätten die Bürgermeisterwahlen von Lübbecke, Hüllhorst und Minden geliefert.
Für großen Beifall sorgte ein Statement von Post zum Freihandelsabkommen TTIP: »Das wird es mit der SPD weder vor noch nach der Bundestagswahl geben. Es macht keinen Sinn, ein totes Pferd zu reiten.« An der Parteibasis hatte es in den vergangenen Monaten heftige Kritik am umstrittenen Abkommen gegeben. Am Ende seiner Rede forderte Post ein neues Parteiprogramm, für das 60 Jahre nach dem Godesberger Programm nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei.
Zustimmung gab es auch für den Leitantrag der Kreis-SPD, den der Vorsitzende Michael Buhre (»Wir sind stark hier«) vorstellte. Das Papier legt Schwerpunkte in den Bereichen Steuer- und Chancengerechtigkeit, fordert höhere Abgaben für Spitzenverdiener, eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik, Maßnahmen gegen Altersarmut und die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten von Familien mit Kindern. Die Schere zwischen Arm und Reich dürfe nicht weiter aufgehen, sagte Buhre. Er verwies darauf, dass die Zahl der Millionäre im Land auf 1,2 Millionen gestiegen sei.
Chronisch klamm hingegen seien die Kommunen, die künftig mit mehr Geld ausgestattet werden müssten. Buhre führte die drastischen Sparmaßnahmen in Hille als mahnendes Beispiel an. So dürfe es nicht weitergehen.
Bekenntnisse zu mehr Demokratie, zu Europa sowie eine Absage an versteckten und offenen Rassismus, der mit tendenzieller Gewaltbereitschaft einher gehe, rundeten den Vortrag ab. Der Landtagsabgeordnete Ernst-Wilhelm Rahe sagte nach den Wortbeiträgen der Delegierten, dass er eine so tiefgehende Debatte auf Kreisebene selten erlebt habe.